Auf der
Kundgebung vor dem Düsseldorfer Landtag am 21. April 2009, die anlässlich der
Anhörung zum Sozialticket statt fand, hielt Thomas Giese für
das zakk-Mittwochsfrühstück folgende
Rede:
Liebe Mitstreiter
und -streiterinnen für ein Sozialticket,
Es ist wirklich
erbärmlich, argumentieren zu müssen, warum es nicht ausreicht, wenn Menschen
sich nur dreimal im Monat mit Bus und Bahn durchs Stadtgebiet bewegen können.
Denn Mobilität ist schlicht ein Menschenrecht!
Und nicht nur für ÖPNV-Nutzung ist zu wenig im Hartz-IV-Regelsatz veranschlagt, sondern der reicht hinten
und vorne nicht.
In der aktuellen TERZ hat ein Teilnehmer des Mittwochsfrühstück beschrieben, was es heißt zu Hartz IV verurteilt zu sein:
„Als Hartz IV-Bezieher lernt man, einfach zu leben, kann sich
wieder über geschenkte Socken freuen. Wenn man dann den reduzierten
Stromverbrauch bedenkt, sind Hartz-IV-Betroffene
ökologische Vorreiter.
Hartz IV ist also kein
statischer Zustand, sondern ein sich stetig verändernder Prozess, wenn man so
will: ein ‚innerer Weg’, eine spirituelle Selbsterfahrung.
Der ‚normale’
Hartz IV-Bezieher, der keine alternative Lebenspraktik
entwickeln kann (Fasten, Meditation, ehrenamtliche soziale oder politische
Aktivitäten, sinnstiftende Dinge, Bildung) gleitet leicht in Depressionen ab,
kommt (...) durchs Fernsehen (das wird ja Hartz-IV-‚lern gegönnt: die mediale Meinungsgleichschaltung
und damit Ruhigstellung durch Verzicht auf die GEZ-Gebühren) und Dauermangelernährung leicht in gefährliche
psychische und gesundheitliche Zustände – die wieder Folgekosten
verursachen.“ (TERZ 04.09)
Ich hoffe es
heißt jetzt nicht: „Denen geht’s ja noch ganz gut, wenn sie Witze machen
können!“ Nein, es ist Galgenhumor, witzeln aus purer
Verzweiflung. Heinrich Heine schrieb: „Vor dem Übermut des Reichtums und der
Gewalt schützt euch nichts – als der Tod und die Satire”. Für die Abhängigen von
Hartz IV ist dies bittere Realität.
Ich erinnere an
den 22-jährigen Erwerbslosen, der April 2007, also vor genau zwei Jahren, in
Speyer verhungert ist. Er war von der ARGE schrittweise auf Null heruntergekürzt
worden. Dieses Herunterkürzen auf Null ist im „Sanktionskatalog“ des Sozuialgesetzbuchs so vorgeschrieben. Wem dann die Kraft
fehlt, vor dem Sozialgericht auf Weiterzahlung zu klagen oder bei der ARGE um
Lebensmittelgutscheine zu betteln, der verhungert eben.
Im Hartz-IV-Regelsatz - also im nicht gekürzten
Normalregelsatz – sind gerade einmal pro Tag 4,32 Euro für Ernährung vorgesehen.
Ein Polizeihund kriegt dagegen Tag für Tag hochwertiges Futter in Höhe von 6,80
Euro in seinen Napf. Verdi-Erwerbslose hatten auf der 1.-Mai-Demo vergangenen
Jahres für Hartz-IV-BezieherInnen den Rat auf ein
Schild gepinselt:
"Werden Sie Polizeihund!"
Wie gesagt: „Vor dem Übermut des Reichtums und der Gewalt schützt euch nichts – als der Tod und die Satire”!
Der aktuelle
Hartz IV-Regelsatz bedeutet ein Verhungern auf
Raten.
Es ist
- ein Verhungern
aus Mangel an Bildung,
- ein Verhungern
aus Mangel an Kultur,
- ein Verhungern aus Mangel an sozialen
Kontakten
Wir vom
Mittwochsfrühstück sagen klipp und klar:
Der Hartz-IV-Regelsatz muss
erhöht werden. Das hat der Bundestag zu beschließen. Aber bis es so weit ist,
kann ein Sozialticket zumindest unser Menschenrecht auf Mobilität sicher stellen. Städte wie Dortmund und Unna haben bereits
ein Sozialticket. Das reiche Düsseldorf noch nicht. Ein Sozialticket muss her,
damit Erwerbslose, BezieherInnen von Grundsicherung
sich in ihrer Stadt frei bewegen können, um Freunde zu besuchen und
Veranstaltungen – auch in anderen Stadtteilen.
Vor dem
Übermut des Reichtums und der Gewalt schützt uns aber nicht nur der Tod und die
Satire, sondern auch die Solidarität. Und es ist ermutigend, dass hier so viele
zusammenstehen, um ein Sozialticket durchzusetzen.
Die Düsseldorfer
Ratsmitglieder erhalten ein Monatsticket für Bus und Bahn gratis. Das schont die
Umwelt. Warum soll das nicht auch für alle Bürger und Arbeiter und Arbeitslose
möglich sein? Deshalb sind wir vom Mittwochsfrühstück für ein Null-Euro-Ticket!
Wo Milliarden für die Rettung von Banken da sind, sollte das Geld auch für die
Rettung des Klimas da sein.
Ein Sozialticket
wird ein Kompromiss sein. Wir müssen aufpassen, dass es kein fauler wird.
Der Preis
für ein Sozialticket muss sich an dem im Regelsatz vorgesehenen Betrag
orientieren. Für die innerstädtische ÖPNV-Nutzung sind da 11,32 Euro (inzwischen
auf 11,48 erhöht) vorgesehen. Gibt ein Hartz-IV-Abhängiger auch nur einen Euro mehr aus, muss er
sich darauf gefasst machen, dass ihm der ARGE-Sachbearbeiter unsachgemäße
Verwendung von ARGE-Geldern unterstellt, weil er für ÖPNV mehr ausgibt, als im
Regelsatz vorgesehen ist.
Diese Kundgebung
hier vor dem Landtag ist nur ein Anfang.
Ich wünsche uns den Mut und die
Kraft diesen Kampf durchzustehen.