Die skandalösen Zustände in den Jobcentern sind seit Jahren bekannt. Das Düsseldorfer Mittwochsfrühstück der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten hat wie bundesweit viele andere Gruppen, Initiativen und Verbände wieder und wieder auf die skandalösen Zustände hingewiesen. Das Mittwochsfrühstücks erinnerte 2009 in einer Rede vor dem Düsseldorfer Landtag an den 22-jähriger Erwerbslosen, der April 2007 in Speyer verhungerte. Er war vom Amt schrittweise auf Null heruntergekürzt worden. Dieses Herunterkürzen auf Null ist im ‚Sanktionskatalog‘ des Sozialgesetzbuch so vorgeschrieben.
(stern-Kommentar von April 2007)
"Wem dann die Kraft fehlt, vor dem Sozialgericht auf Weiterzahlung zu klagen oder bei der ARGE um Lebensmittelgutscheine zu betteln, der verhungert eben" >>> Redebeitrag 2009
Zu diesem Fall im Frankfurter
Jobcenter: Die Alg2-Bezieherin Christa Schwundeck hatte Mai 2011,
nachdem ihr nach stundenlangen Verhandlungen eine Barauszahlung zur
Abwendung akuter Not verweigert worden war, zum Messer gegriffen. Sie
verletzte einen in den Raum gekommenen Polizisten am Oberschenkel und
Bauch, woraufhin eine Polizistin sie erschoss. Die näheren
Umstände dieser Tat sind bis heute nicht völlig geklärt.
(spiegel-online).
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund Rainer Wendt forderte damals, dass der Gesetzgeber "endlich vernünftige Gesetze machen" müsse. "Rund 180.000 Klagen gegen Entscheidungen", so Wendt weiter, "zeigen doch deutlich, dass da dringender Handlungsbedarf besteht." Ulrich Silberbach, Vizevorsitzender der ebenfalls konservativen Komba-Polizeigewerkschaft in Berlin, kritisierte, dass die Gesetzesmaterie viel zu kompliziert und häufig auch nicht einsehbar sei und forderte ebenfalls, "dass der Gesetzgeber jetzt endlich handeln muss."
Der Gesetzgeber handelte nicht. September 2012 kam es zu einem weiteren Todesfall. Diesmal war nicht eine
Hartz-IV-Bezieherin, sondern eine Jobcentermitarbeiterin das Opfer. Die
Deutsche Polizeigewerkschaft NRW wiederholte anläßlich des Neusser
Falls die Forderung nach anderen Gesetzen. Das Radio auf 104,2 MegaHartz fragte: "Wo sind die (...) Schriftsteller_innen, die Journalist_innen, wo ist die
Zivilgesellschaft?" Aufgrund dieser Gesetze mit mehrfacher Todesfolge warf das Radio auf 104,2 MegaHartz die Frage auf:
"Ist es da völlig abwegig, dem
Gesetzgeber – also den Bundestagsabgeordneten – Mittäterschaft zu
unterstellen? Auch die Düsseldorfer Stadtratsmitglieder stehen in der
Verantwortung, die diese Gesetze weiterhin auf kommunaler Ebene
umsetzen."
>>> MegaHartz-Bürgerfunk-Beitrag November 2012
April diesen Jahres erinnerte das Mittwochsfrühstück erneut daran, dass komba und DPolG aufgrund der Hartz-IV-Gesetzeslage
"Kurzschlusshandlungen aus Wut und Verzweiflung" für "alles andere
als unvorhersehbar" halten. Anlässlich
der Kommunalwahl Mai 2014
befragten wir Vertreter*innen der kandidierenden Parteien, wie sie
ihrer Verantwortung für diese Gesetze gerecht werden wollen. Die
Antworten machten wir öffentlich und sind hier nachzulesen >>>
Von Kommunalpolitiker*innen kam jedoch auch in Folge kein vernehmbarer Protest. Auch auf Bundesebene hat sich an der Gesetzeslage nichts Wesentliches geändert.Erst vor wenigen Wochen hat Andrea Nahles die Wirkung der Hartz-IV-Gesetze ausdrücklich gelobt, auch wenn sie sie ein bischen zu hart fand.
Der heutige Tod des 61-jährigen Gutachters im Jobcenter von Rothenburg ob der Tauber (Frankfurter Rundschau), war "eben alles andere als unvorhersehbar".
3. Dezember 2014